Gewerbeparkerweiterung  +10 Hektar – Bürgerbegehren sinnvoll

Worum geht es in der ganzen Diskussion um die Gewerbeparkerweiterung auf weitere 10 Hektar?

Es geht primär um unterschiedliche Interessen:

  • Unternehmen suchen Gewerbeflächen
  • Projektentwickler suchen Projekte
  • Grundstücksbesitzer möchten an Wertsteigerungen partizipieren
  • Die Gemeinde benötigt Einnahmen

Es kommen sicher noch weitere Interessen dazu, wie die Interessenvertretung der Wähler von Parteien, die Hoffnung auf Aufträge von Architekten und Bauunternehmen usw. Das ist aber nicht der Grund, der hier von übergeordneter Bedeutung ist.

Es stellt sich zunächst einmal die Frage, ob die Gemeinde überhaupt auf die Idee gekommen wäre, eine Erweiterung in einem Aufstellungsbeschluss zu fokussieren, wenn es keine finanziellen Probleme im Haushalt gäbe? Wäre dann eben nicht Umwelt und Erhalt von fruchtbarem Boden wichtiger?

Es geht um Geld. Das ist der Punkt. Dabei ist auf einmal alles egal: die Klimapolitik, die Umwelt, die Nachhaltigkeit. Es geht darum Lücken im Haushalt zu stopfen.

Der größte Fehler, der allerdings in der Diskussion gemacht wird, ist die völlige Unkenntnis der kommunalen Finanzierung und den damit verbundenen Stellschrauben. Es bleibt nämlich viel weniger in der Kommune an Ertrag durch die Gewerbesteuer hängen, als gedacht. Das kann z.B. im Interview mit Dr Thilo Sekol mit der BI Bürgerbegehren Hirschberg nachgelesen werden, der sich seit über zehn Jahren mit der Materie aus ökonomischer und wissenschaftlicher Sicht intensiv auseinandersetzt (https://www.bbhirschberg.de/meinungen#ThiloSekol). Grob gerechnet bleiben der Kommune ca. 11% des Gewerbeertrags, welches ein Unternehmen zahlt. Der Rest geht durch Belastungen durch den kommunalen Finanzausgleich und Rücklagen für den Erhalt und die Pflege der Infrastruktur des erweiterten Areals drauf. Bei ca. 1 Mio. zusätzlicher Gewerbesteuer bedeutet das quasi nur ca. 110 tsd. Euro. Das wird den Haushalt der Gemeinde weder retten, noch wird viel Masse für geplante neue Projekte zur Verfügung stehen. Und das nur bei der Annahme, dass jedes Jahr 1 Mio. Euro Gewerbesteuer fließt, was auch nicht angenommen werden kann. Fakt ist: man hat keinen Plan über die wirklichen Einnahmen, rechnet nicht nachhaltig und träumt von viel Geld.

Dafür soll wertvoller Ackerboden geopfert werden? Boden, den wir eventuell in der Zukunft so gut gebrauchen können, weil durch Klimaveränderungen und neue Entwicklungen in der Forschung ggf. festgestellt wird, dass nur hier in der Region diese Pflanze dafür wächst? Wer weiß denn, was in 50 Jahren ist? Aber wir wissen, dass eine Versiegelung heute endlich ist. Boden wird getötet für immer.

Wieso wird nicht zunächst einmal gerechnet, eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durchgeführt, die via Simulation eine Übersicht gibt, was wirklich für die Kommune an Ertrag übrig bleibt?

Warum scheuen sich die Befürworter?

Weil sie wissen, dass sie keinen Plan haben und die ersten o.a. Analysen ziemlich exakt der Realität entsprechen?

Wäre das Gewerbegebiet ein so tolles Erfolgserlebnis, für was die Befürworter immer wieder die Stimmen erheben, warum sind dann die Schulden gestiegen? Wo bleibt der Beweis in Zahlen, Daten Fakten? Wo ist eine nachträgliche Wirtschaftlichkeitsanalyse, die inklusive aller Kosten aufzeigt, was wirklich so erfolgreich ist an diesem Gebiet für die Kommune?

Warum hat Hirschberg kein Geld durch Flächenerweiterungen, während die Grundstücksbesitzer, Bauunternehmer und Architekten (davon einige im Gemeinderat) gut verdient haben?

Spätestens jetzt merkt der aufmerksame Leser, dass da etwas nicht stimmen kann. Dass unter dem Mantel der Gemeindeinteressen alle verdienen, nur die Gemeinde nicht. Dass Klüngelei und Hilfe untereinander die Kommune ausblutet. Bestraft werden die Bürger: mit Schulschließung (weil das Geld für Kanalisation benötigt wird), mit maroden Straßen, die durch den Schwerlastverkehr immer mehr belastet werden, mit einer Zunahme an Staus, da die Infrastruktur kollabiert. Wo bleibt der Erfolg?

Herzlichen Dank, lieber Gemeinderat! Welche eine Leistung. Und das diejenigen, die dieses Vorgehen munter unterstützen (mit Freunden im Gemeinderat und Bekannten in den Vereinen) auch noch die Frechheit haben, weitere Projekte zu fordern (in dem Wissen, dass Hirschberg finanziell kollabiert) ist einfach nicht zu fassen. Hirschberg ruiniert sich durch diese Machenschaften, jeder weiß es, alle schauen zu. Und dann wundert man sich, warum alles nicht mehr so funktioniert? Und die Schulden steigen?

Es ist wohl offensichtlich, dass Hirschberg einer der wenigen Kommunen entlang der Bergstraße ist, die durch die ganze Flächenexpansion der letzten 30 Jahre keinen nennenswerten Vorteil erlangt hat, oder? Weder ist die Bevölkerung exorbitant gestiegen, noch hat sich die Infrastruktur (Straßen, Schulen, Kindergarten, Sporthallen) samt Handel verbessert, noch ist die finanzielle Situation besser geworden. Was hat Hirschberg erreicht, außer das immer die gleichen Grundstücksbesitzer durch Wertsteigerungen Millionen verdient haben (wahrscheinlich zum großen Teil steuerfrei oder mit marginaler steuerlichen Belastung)?

WAN WIRD HIRSCHBERG WACH ?

Das Unternehmen Flächen für Erweiterung ihrer Aktivitäten suchen ist legitim. Kein Unternehmer expandiert oder investiert zum Spaß. Es spielen viele Aspekte eine Rolle wie z.B. die Infrastruktur, die Lage, die Ansprüche, die soziale Umgebung und Ausstattung (Kindergärten, Schulen, ÖPNV). Es wurde aber bis dato nur grob über Interessen von Unternehmen von den Befürwortern und der Verwaltung gesprochen. Eine transparente Analyse der Gemeinde oder der Befürworter fehlt auch hier:

  • Wer sucht für was welche Fläche?
  • Welche Art wird gesucht? Bürofläche oder Produktionsfläche?
  • Warum kann dafür nicht ein anderer Standort genutzt werden und muss es unbedingt der Gewerbepark in Hirschberg sein?
  • Wie nachhaltig ist das Unternehmen?
  • Welche Rendite erwirtschaftet das Unternehmen?

Darüber wird geschwiegen, weil man keine konkrete Antwort hat. Man hofft einfach, dass es gut geht. Trotz Veränderung durch COVID, verstärktem Home Office und dadurch viel frei werdende Kapazitäten von Büroflächen, trotz Konjunkturkrise. Trotz digitaler Veränderung. Hoffnung bzgl. Einnahmen auf Kosten der Umwelt und zu Lasten der Allgemeinheit. Verantwortungsvolle Politik sieht anders aus.

Alle Gemeinden hoffen, anstatt endlich einmal realistisch die Sache zu betrachten und sich den zukünftigen Herausforderungen rational zu stellen. Das Problem bedarf einer grundsätzlichen Reform, keiner Alleingänge von Kommunen. Das fängt bei einer abgestimmten Siedlungspolitik an und hört bei einer durchdachten Finanzierung der Kommunen auf.

Dabei wird sich bzgl. der Erweiterung des Gewerbeareals gern auf den Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbandes Mannheim-Heidelberg berufen, in dem Hirschberg Mitglied ist und der diese Erweiterungsflächen vorsieht. Was aber verschwiegen wird ist, dass es schon damals Stimmen gegen diesen Plan gab. Es wird auch verschwiegen, dass die dort angenommenen Entwicklungen völlig überzogen und falsch sind, wenn man richtig rechnet, alle zukünftigen Brachflächen mit einbezieht und die nachhaltige Entwicklung ernst nimmt. Wir benötigen keine zusätzliche Flächenexpansion im Nachbarschaftsverband, wir benötigen maßvolles, nachhaltiges Handeln (siehe dazu die Infos unter dem Reiter zum Flächennutzungsplan). Nachgerechnet oder geprüft hat das auch keiner der Gemeinderäte. Einfach mal zugestimmt zur Flächenexpansion. Ohne Faktencheck. Was für ein verantwortungsloses Handeln.

Warum ist das nicht geschehen mit einer Überprüfung durch Faktencheck? Weil keine Kommune der anderen Kommune im Nachbarschaftsverband weh tun möchte. Weil man sich ja entwickeln möchte, auf Kosten von Umwelt und anderen Regionen, die durch Wanderungen von Unternehmen und Arbeitsplätzen ausbluten. Und dann wundern wir uns, warum abgehängte Regionen radikal werden und extreme Parteien wählen? Es hängt alles zusammen, wenn wir aber weiter jeder egoistisch handelnd unseren Vorteil suchen, dann werden wir alle verlieren. So funktioniert es jedenfalls nicht.

KOMMUNALE SELBSTVERWALTUNG HEISST NICHT KOMMUNALE SELBSTGESTALTUNG!

Wenn ein Bürgerentscheid zur Disposition steht ist das ein Zeichen dafür, dass etwas im Vorfeld schief gelaufen ist. In der Kommunikation, in der Transparenz, in der rationalen Abwägung. Es ist die Politik, es sind Gemeinderat und Verwaltung, die hier die Menschen nicht mitgenommen haben. Demokratie funktioniert anders.

Wäre es da nicht fair, zunächst alle Argumente auf den Tisch zu legen, alle Vor-und Nachteile und Interessen abzuwägen? Was spricht dagegen? Hier hat doch eine Gruppe Angst? Hier möchte man noch schnell Tatsachen schaffen, bevor es zu spät ist, bevor kein Boden gemäß Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ggf. nicht mehr zusätzlich versiegelt werden kann? Haben die Grundstücksbesitzer Torschlusspanik? Wenn die Befürworter sich doch sicher sind, dann könnten sie doch transparent alles darlegen? Auch hier merkt Jeder, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann.

Ein Aufstellungsbeschluss mit entsprechender Mehrheit ist quasi nicht mehr zu bremsen. Das wissen die Befürworter. Daher möchten sie die Bürger auch gern in Ungewissheit lassen. Alle bisherigen Planverfahren haben gezeigt: die Bürger können zwar Einwände vorgeben, sie können sich beschweren. Aber so lange die Mehrheit steht, ist die Entscheidung unabdingbar. Auch das sollte den Menschen klar und deutlich erläutert werden. Insbesondere die Verwaltung muss hier die Fakten und den Ablauf des Verfahren klar aufzeigen, so dass jedem Wähler dies bewusst ist.

Daher ist der Bürgerentscheid der richtige Weg. Daher ist es notwendig, hier mit „JA“ zu stimmen und der Bürger-Gemeinschaft noch mal Zeit zu geben, konkret alle Alternativen zu prüfen. Auswirkungen auf den regionalen Verkehr, Wirtschaftlichkeit aus Sicht der Kommune, ökologische Aspekte, wirtschaftliche Entwicklungen unter den neuen Gegebenheiten und Veränderungen, all dies muss auf den Prüfstand. Es bedarf eines fairen Verfahren, keine Selbstbedienung von Interessengruppen. Vor allem bedarf es einer fairen und gerechten Verteilung von Erträgen und Kosten. Derzeit haben wenige Gewinne, die Kommune trägt die Kosten. Das kann nicht sein.

Es geht anders. Es gibt viele positive Beispiele von Kommunen, die einen anderen Weg gehen. Es gibt tonnenweise Literatur mit Analysen und kreativen Ideen. Man muss nur den Willen haben, sich intensiv damit auseinanderzusetzen.

Es geht nicht darum, Gewerbe schlecht zu reden oder Unternehmertum zu verdammen. Wir alle wissen, wie notwendig Wirtschaft, Unternehmen und Handel ist. Es geht darum, die bestehenden Angebote an Flächen besser zu nutzen und die Finanzierung und Gesetze entsprechend dazu anzupassen. Das ist ein Kraftakt, da bedarf es Abstimmungen.

Es kann nicht auf der einen Seite für ein besseres Klima geworben werden und im Detail dann wichtige Klimaspeicher durch Versiegelung vernichtet werden. Das ist unlogisch.

WENN MAN ETWAS WILL FINDET MAN EINEN WEG. WENN MAN ETWAS NICHT WILL FINDET MAN AUSREDEN!

Weitere Infos zum Verfahren, zum Verlauf und zu den Argumenten, sowie weiterführende Literatur findet man auf der Homepage der Bürgerinitiative Bürgerbegehren Hirschberg:

www.bbhirschberg.de